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Heiße Geschäfte

Derzeit gehen die Wogen rund um die geplante Therme in St. Kanzian hoch. Der MONAT deckte in seiner Januar Ausgabe die heißen Geschäfte des Bürgermeisters auf. Hier ist die Story zum Nachlesen!

10 Min.

Der Bürgermeister von St. Kanzian, Thomas Krainz. ©SPÖ

VON FRANZ MIKLAUTZ

Im Oktober 2019 kommt Udo Jürgens im Gemeinderat von St. Kanzian am Klopeiner See zu großen Ehren. Zu abendlicher Stunde wird dem Sänger von Bürgermeister Thomas Krainz (SPÖ) ein Stern verliehen. Krainz begründet das in seiner Wortmeldung damit, dass Jürgens‘ „Gehversuche als musikalischer Entertainer am Klopeiner See begonnen haben“. Der Künstler scheint in der hiesigen Kommunalpolitik beliebt zu sein: Der Antrag wird einstimmig angenommen. Er bekommt einen Stern „auf der Norduferpromenade“, ist Krainz hocherfreut. Generationen sind mit der Musik von Jürgens aufgewachsen. Unvergessen: „Merci Chéri“ oder „Griechischer Wein“. 

St. Kanzian entdeckte Thermalwasser

Unweit der Norduferpromenade, wo Jürgens‘ Stern nun leuchtet, findet sich ein weiteres prominentes Projekt des Bürgermeisters. Nördlich des Sees, erhaben auf einer Kuppe, liegt ein etliche Hektar großer Wald. Dort ließ Krainz 2005 ein sehr tiefes Loch bohren. 1,7 Kilometer ins Erdinnere. Und wurde fündig: In dieser Tiefe stieß das Bohrteam auf 60 Grad heißes Thermalwasser. Der Jubel war überwältigend. Die Gemeindezeitung widmete dem Fund damals einen mitreißenden Vierseiter. Und schon war die Idee zu einem Thermalbad geboren. Allein: Dieses hat bis heute das Licht der Welt nicht erblickt.

Firmenverflechtung. Dies ist die Geschichte eines nie finalisierten Thermalbadprojekts, denkwürdiger Grundstücksgeschäfte und einer bemerkenswerten Firmenstruktur. Im Zentrum des Geschehens: Bürgermeister Thomas Krainz. Seit 20 Jahren ist er der Polit-Favorit der kleinen Gemeinde am wärmsten Badesee Europas. Die SPÖ thront mit absoluter Mehrheit in der Tourismuskommune. 13 von 23 Sitzen hat sie inne. Der Rest verteilt sich auf ÖVP, Gospodarska Lista (Wirtschaftspartei) und Grüne. 

Das betroffene Areal. © Kohl und Partner

Obwohl das Thermen-Thema viel früher beginnt, steigen wir 2020 in die Geschichte ein: Da kauft Krainz – zusätzlich zu seinen bereits vorhandenen Gründen – im Wald über der Norduferstraße eine 5749 Quadratmeter große Fläche auf. Die Verkäuferin: eine Pensionistin aus Krainz‘ Gemeindegebiet. Kaufpreis: 8000 Euro. Umgerechnet 1,39 Euro pro Quadratmeter. 

Die Option. Etliche Jahre vorher, wir schreiben 2007, handelte Krainz eine Vereinbarung mit den Teilhabern der bereits 2005 gegründeten Thermalwasser-Betriebsgesellschaft aus. Er räumte der Firma eine Option auf zwei seiner Grundstücke im Umfeld der geplanten Therme ein. Dabei geht es einerseits um eine 16.688 Quadratmeter große Fläche und andererseits um knapp 6800 Quadratmeter im westlichen Randgebiet zum Thermenprojekt. Für letztgenannte Parzelle schreibt Krainz bereits seinen Wunschpreis ins Papier: 50 Euro pro Quadratmeter – das 36-fache dessen, was Krainz 13 Jahre später der Pensionistin bezahlen wird. 

„Eine solche Vereinbarung gehört nicht dem Rechtsbestand an“, lässt Krainz auf Anfrage ausrichten. „Ein Kaufvertrag zwischen mir und der Thermen Betriebs Gesellschaft m.b.H. ist niemals zustande gekommen.“ Das mag sein: Die Option dazu, die hat er aber abgeschlossen (siehe Faksimile). Es lässt sich nur spekulieren, aber es liegt nahe, dass Krainz seine Grundstücke oder Teile davon im Rahmen der projektierten Therme mitbedacht haben wollte. 

Und da gibt es noch einen erwähnenswerten Punkt: Kurz vor Weihnachten 2007 vereinbart Krainz im Rahmen besagter Option noch etwas. Ihm gehört nämlich auch das wichtigste Grundstück des gesamten Vorhabens: der Thermalbrunnen mit dem Bohrloch. Es ist 1200 Quadratmeter groß. Krainz bringt es in die Betriebsgesellschaft ein. Doch dafür will er eine Gegenleistung: Alle anderen Gesellschafter (außer einem) müssen ihm dafür 15 Prozent der Betriebsgesellschaft abtreten. Krainz steigt dadurch mit der Zeit zum größten Teilhaber der Betriebsgesellschaft auf: Zusammen mit seiner Ehefrau, auch sie ist von Anfang an beteiligt, verfügt er über 19,5 Prozent des Kapitals. 16,4 gehören Krainz, 3,1 seiner Ehefrau. 

Besagte Thermen-Betriebsgesellschaft besteht eigentlich aus zwei Teilen, in denen ein anderer SPÖ-Politiker die Geschäfte führt. Da ist zum einen die Thermalwasser Klopein Betriebs GmbH. Hier sind neben Krainz und Gattin noch zehn weitere Gesellschafter engagiert. Und dann gibt es zweitens noch die beteiligungsidente und gleichnamige Thermalwasser Klopein Betriebs GmbH & Co KG. Dort ist Krainz mit einer Haftsumme von 98.000 Euro eingetragen, seine Frau mit 18.600. Beide sind Kommanditisten. Das Konstrukt ist so gewählt, dass die Thermalwasser Klopein Betriebs GmbH, also eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der Vollhafter ist. 

Es wurden vertraglich auch Gegenleistungen festgehalten ©Faksimile

Thermalwasser zum Selbstkostenpreis

„Selbstkostenpreis“. Auf die Frage der ORF-Journalistin Nora Zoglauer von „Am Schauplatz“, ob Krainz durch seine Beteiligung an der Thermengesellschaft persönlich profitieren würde, verneinte der Bürgermeister das. Er sei „in einer Bohrgesellschaft mit dabei“, sagte Krainz auf Zoglauers Nachfragen im vorigen Herbst. Diese Gesellschaft habe die Bohrung ermöglicht und sei „absolut bereit, ihr Eigentum, das heißt, das warme Wasser, zum Selbstkostenpreis abzutreten“. Wenn ein Investor käme.

Profitiert hätte Krainz aber womöglich aus Grundstücksgeschäften im Zusammenhang mit der Therme oder davor geplanter wechselnder touristischer Projekte. Wie aus einer dem Kärntner MONAT vorliegenden Unterlage aus dem Jahr 2016 hervorgeht, sollte damals ein „multifunktionaler touristischer Leitbetrieb mit dem Schwerpunkt Erholung, Gesundheit, Wellness und Familie unter Nutzung des hochwertigen solehältigen Thermalwassers errichtet werden“. Und zwar mit Einbindung von Krainz‘ Flächen – vermutlich als „Erweiterungsmöglichkeit am Projektareal“. 

Das ist jedenfalls besagtem Dokument zu entnehmen, das als „Investorenfibel“ tituliert ist und vom Geschäftsführer einer weiteren Gesellschaft, der Thermalbad Klopein Entwicklung GmbH, stammt. Also einem Papier, mit dem offenbar auf Investorenfang gegangen werden sollte. Unter den Flächen, auf die sich der „touristische Leitbetrieb“ ausdehnen sollte, befindet sich nämlich auch genau jenes Grundstück, das Krainz der erwähnten Thermen-Betriebsgesellschaft um 50 Euro pro Quadratmeter als Kaufoption für zehn Jahre angeboten hatte. Das wären im Verkaufsfall also fast 340.000 Euro für dieses Grundstück gewesen. Während Krainz der Pensionistin für eine nur gut 1000 Quadratmeter kleinere Fläche einen Steinwurf entfernt nur 8000 bezahlte. 

Der ausschlaggebende Vertrag ©Faksimile

St. Kanzianer Bürgermeister war bestbieter

„Nicht abschmutzen“. Krainz erklärt, dass er für den Grund der Frau „der Bestbieter war. Das ist ein normaler, ein guter Preis.“ Es habe mehrere Interessenten dafür gegeben. Das Holz sei außerdem schadhaft gewesen. „Es wurde ein adäquater Marktpreis für ein Waldgrundstück mit dieser Bestockungsgüte geleistet“, wird argumentiert. Die Pensionistin widerspricht Krainz jedoch: Es habe nicht mehrere Interessenten gegeben. „Ich habe den Grund damals verkaufen müssen“, sagt sie. „Es war nicht mehr zu kriegen. Krainz hat gesagt, er wird mich nicht abschmutzen.“ Den Grünen-Gemeinderat Reinhard Mathes hat es „betroffen gemacht, dass Herr Krainz die Notlage einer Bürgerin nutzte“.

Im Vertrag ist vermerkt, dass es Krainz beim Kauf um eine Erleichterung der „Bewirtschaftung“ seines „bisherigen Liegenschaftsbesitzes“ gegangen sei. Immobilienpreis-Indizes bewerteten Waldboden im Jahr 2022 mit einem bis drei Euro per Quadratmeter, manchmal bis zu fünf. Mit Ausreißern nach oben und unten. 

Der Geschäftsführer der Thermalbad Entwicklungs GmbH erklärt, dass die Grundstücke von Krainz „nicht Bestandteil der Ausschreibung und Projektierung“ der Therme gewesen seien. Auch das mag sein: Bestandteil der von ihm erstellten „Investorenfibel“ waren sie allerdings sehr wohl. Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass in einem zuvor erstellten Plan aus 2014 die Gründe von Krainz unberücksichtigt blieben.

Schiefe Optik? Dass der Geschäftsführer der Entwicklungs GmbH die „Investorenfibel“ ohne Krainz‘ Wissen erstellte oder erstellen ließ, ist möglich, aber unwahrscheinlich. Denn die Entwicklungs GmbH, die wie der Name schon sagt, die Projektierung der Therme vorantreiben sollte, steht unter der Kontrolle dreier Eigentümer – von denen in zwei Krainz nicht unerheblichen Einfluss hat. Ein Drittel der Entwicklungs GmbH gehört nämlich der eingangs erwähnten Thermen-Betriebsgesellschaft, in der Krainz und Gattin maßgeblich engagiert sind. Das zweite Drittel hält die Gemeinde St. Kanzian, in der Krainz‘ SPÖ die Absolute hat. Die letzten 33,3 Prozent ressortieren zum Tourismusverband (TVB) St. Kanzian. 

Und vor dem Hintergrund dieser Gemengelage kommt es zu durchaus nennenswerten Entscheidungen im St. Kanzianer Gemeinderat. 2016, also ungefähr zur Zeit der Erstellung der „Investorenfibel“,  entscheidet der Gemeinderat einstimmig, dass für die Zeit von zehn Jahren 20 Euro „pro Einwohner“ als „Wirtschaftsförderung“ für die geplante Seetherme aufgebracht werden sollen. Bei rund 4500 Einwohnern wäre das auf zehn Jahre gerechnet eine Förderung von rund 900.000 Euro, die die Gemeinde hingeblättert hätte. Dazu ist es letztlich nicht gekommen, da noch immer kein Investor für die Therme gefunden wurde. Krainz, das ist einem Protokoll zu entnehmen, hat bei der Abstimmung mitgestimmt. 

Auf Anfrage lässt der Gemeindechef ausrichten, dass ein Befangenheitsgrund im Sinne der Gemeindeordnung nicht vorliege. „Im Übrigen entscheidet (…) im Zweifelsfall der Gemeinderat, ob ein wichtiger Grund“ für eine Befangenheit vorliege. Und „der Gemeinderat hat einstimmig den Beschluss gefasst, dass dies nicht der Fall ist.“ 

St. Kanzian plant Erhöhung der Ortstaxe

Während der Jahre kommen weitere Ideen zur Finanzierung der Therme auf. Eine ist die Erhöhung der Ortstaxe. Sie soll der monetären Ausstattung der Entwicklung GmbH dienen. Denn der TVB soll für die Therme mitzahlen. In einem Antrag zur Anpassung der Ortstaxe schreibt er an die Gemeinde: „Die mögliche Erhöhung der Orts-
taxe ergibt sich aus dem Finanzbedarf für die Finanzierung der für das Projekt ,Thermalbad St. Kanzian‘ durch den Tourismusverband (…) aufzubringenden finanziellen Mittel.“ Der TVB sollte damals zwei Millionen Euro in das Projekt buttern. Die er ohne Ortstaxenplus nicht hätte stemmen können. Krainz selbst legte Gremien ein Konzept zur stufenweisen Steigerung vor. Bei der Abstimmung über die Verteuerung stimmt er mit. 

Zur TVB-Investition von zwei Millionen Euro ist es vermutlich nicht gekommen. Dennoch wird die Entwicklungs GmbH mit mehreren Hundertausend Euro ausgestattet, von denen die Gemeinde 100.000 Euro übernimmt. Bei der Abstimmung darüber enthält sich Krainz aber. 

Es ist im Geschäftsverkehr üblich, dass für diese Rechtseinräumung ein Entgelt zu leisten ist.

St. Kanzianer Bürgermeister Thomas Krainz

Von 2013 bis 2020 gibt die Entwicklungs GmbH über 300.000 Euro aus, ein Drittel davon getragen von der Gemeinde. 130.200 Euro davon überweist sie der Thermen-Betriebsgesellschaft als Optionsentgelt. „Es ist im Geschäftsverkehr üblich, dass für diese Rechtseinräumung ein Entgelt zu leisten ist“, lässt Krainz erklären. 

Belgische Millionen. 2018 wäre es beinahe zu einer Realisierung der Therme gekommen. Da sollte die belgische Firma Eco-1-one Environmental Solutions in St. Kanzian einsteigen. 80 Millionen Euro an Investitionen waren geplant, es gab schon einen Abtretungsvertrag für die Anteile an der Entwicklungs GmbH, an der – wir erinnern uns – die Gemeinde, die Betriebsgesellschaft und der TVB je ein Drittel halten. Der Vertrag, auch das sei erwähnt, enthält keine Gewinnbeträge für die abtretenden Gesellschafter. Lediglich die Stammeinlage hätte abgelöst werden müssen. Hätte: Denn der Deal kommt nicht zustande, weil die belgische Firma die als Vorableistung gedachten 16 Millionen Euro nicht überweist. Auch ein deutscher Thermenbetreiber sollte damals mitmischen, doch der kommt bei einem Flugzeugabsturz tragisch ums Leben. 

Derzeit ist dem Vernehmen nach für das Nordufer kein Investor im Rennen. Im Vorjahr ist auch Franz Peter Oraschs Lilihill-Gruppe abgesprungen, die Millionen investieren wollte. Nun darben die Pläne vor sich hin. Dabei hatte die Gemeinde unlängst 5,6 Hektar Wald dafür gekauft. Preis: 25 Euro pro Quadratmeter.

Fragt man Experten, was der Grund für die bisherige Thermenflaute ist, sagen sie: „Erfolgreiche Regionen haben einen klaren Plan – einen Masterplan, der wie ein Puzzle die einzelnen zukünftigen Investitions- und Angebots-Puzzlesteine definiert“, meint etwa Gernot Memmer, Chef des international tätigen Beraters Kohl & Partner. So ein Plan geht St. Kanzian offenbar ab. 

Es hat mich betroffen gemacht, dass Krainz die Notlage einer Bürgerin ausnutzte.

Reinhard Mathes, Grüne

Derweil drängt ein anderes Thermenprojekt am Ostufer an die Oberfläche. Dort will Unternehmer Martin Merlitsch ein solches Vorhaben realisieren. Dem Vernehmen nach hat das Land eine Raumverträglichkeitsprüfung angeordnet. Wenn Merlitsch sein Projekt durchsetzt, wäre das wohl ein Supergau für Krainz: Der Wert der Grundstücke, für die die Gemeinde 25 Euro am Quadratmeter zahlte, würde wohl nach unten rasseln. Und aus Udo Jürgens‘ Song „Griechischer Wein“ könnte noch so etwas wie eine griechische Tragödie werden.

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